Tomi Ungerer (1931–2019)

Die Stärke der geschriebenen Aphorismen und Sprüche Tomi Ungerers ist ihre Bildhaftigkeit. Die Prägung durch den Zeichner, die verbalen Schattenwürfe geben den Sätzen Erinnerungswerte, die an urweltliche Schriftbilder erinnern. Das unverwechselbar verschmitzte, kindliche Lächeln dieses wirklichen Kosmopoliten bleibt bestehen und die 149 Seiten dieses Buches reihen das Erstaunlichste aneinander, ein fabulierendes Mix aus Worten und Zeichnungen.

Mit den Kategorien DEFINITIONEN, FRAGEN, GLÜCK, SEIN UND ZEIT, TUGEND UND LASTER, RELATIVITÄT, RUHM UND EHRE, WISSEN UND WEISHEIT, SLOGANS, LIEBE UND FREUNDSCHAFT, KURZSCHLÜSSE, FRAUEN, KUNST, BÜCHER, ELSASS, EROTIK, PROVOKATIONEN, NATUR, TIERE, GLOBETROTTER, HUMOR, KINDER, REZEPTE, BKENNTNISSE, CONDITION HUMAINE, HIMMEL UND HÖLLE UND TOD erschließt sich eine Kurzfassung des weiten Universums von Tomi Ungerer.

77 Wechseljahre alt beim Verfassen 2008, eine Taschenschlampe in der Hosentasche, gestählt im Schlitzkrieg zwischen Mann und Frau, schreibt er als Pendler zwischen der heilen und der geilen Welt. Träfe er Gott, würde er ihm sagen: "Lass mich in Frieden". Er ist seine eigene Heimat und sein Taschentuch ist seine Fahne. Über die Schweiz fabuliert er: "Die Schweiz ist der Kulturgletscher Europas" und "Schweizer Käse: Jedes Loch steht für eine Gedächtnislücke". Alle bekommen ihr Fett weg und niemand fühlt sich eingeseift.

Wenige können sich so pointiert ausdrücken, wenige wagen diese Blitzkriege über & unter alle Gürtellinien und bei wenigen kann ich so zustimmen wie bei Ungerer. Kunst ist bei ihm kein Ersatz für verlorene Macht, sondern der Ausdruck seines kindlichen Denkens, seines Hinterfragens und Staunens. Er möchte niemand verletzen oder Spiegel vorhalten, seine Absurditäten des Alltages sind einfach köstlich. Dabei hat er nicht den Anspruch, ein durchgeistigter Schriftsteller zu sein: "Der Schriftsteller pflügt, sät und erntet, ich dagegen begnüge mich damit, Honig zu sammeln, im Vorübergehen etwas zu pflücken." Ich würde in diesem Sinne gerne mit ihm Streifzüge unternehmen.

"Wie schön, wenn unser Lächeln uns überleben könnte", schreibt er auf Seite 117. Dieses Buch gibt treffende Einblicke in das Staunen & Lächeln Ungerers, es ist ein guter Einstieg für alle, die ihn noch nicht kennen (über 40.000 Zeichnungen und mehr als 140 Bücher) oder Erinnerungen an sein umfassendes Schaffen wieder auffrischen wollen. "Ein gutes Buch ist ein Buch, zu dem man ein Vorwort schreiben möchte." Sehr gerne hätte ich dies in diesem Fall getan. Stattdessen hat Elke Heidenreich eine wirklich bemerkenswert stimmige Liebeserklärung an diesen um-triebigen, vom "Leben gezeichneten" Künstler geschrieben.

2009… (meer)