Hans Leyendecker

Nichts mehr läuft bei uns automatisch wie geschmiert und Bundestagsabgeordnete müssen - sehr widerstrebend - ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Dies ist möglicherweise auch solchen Büchern geschuldet, die dieses schleichende Gift bloßlegen helfen. Trotzdem findet die Korruption immer neue Schlupflöcher und steuert der Fairness entgegen, Sümpfe werden immer neu bewässert. Lobby-Seilschaften, Old-Boys-Networks, Ein-Parteienherrschaften - all diese Zustände müssen hellhörig machen und uns alle dazu animieren, das von uns gewählte System der parlamentarischen Demokratie transparenter zu machen.

Die von Herrn Leyendecker skizzierten 20 Maßnahmen zur Eindämmung der Günstlingswirtschaft könnten heute über das Internet ganz einfach und transparent umgesetzt werden. Zum Beispiel ein allgemeines Akteneinsichtsrecht für die Bevölkerung in alle Unterlagen der öffentlichen Verwaltung. Die weiteren Ansätze (u.a. einen Beauftragten gegen die Ämterpatronage, 4-Augen-Prinzip bei der Auftragsvergabe, Kronzeugenregelung für Korruptionsdelikte) klingen überzeugend und wir alle sollten hier nicht wegsehen, sondern - z.B. auch vor dem Hintergrund aktueller Affären - aktiv mitmischen.

Vor diesem Hintergrund ist dieses Buch ein Zustandsbericht, der leider in der Öffentlichkeit bzw. den klassischen Medien kein entsprechendes Echo fand und findet (aus durchschaubaren Gründen). Durch Korruption wird m.E. mehr volkswirtschaftliches (Teilhabe-) Vermögen vernichtet als durch alle anderen Wirtschafts-Straftaten. Eine stillschweigende Duldung hat fatale Folgen für eine Volkswirtschaft, vor allem im Sinne der Chancengleichheit aller - auch dann, wenn es in den Schurken- oder 3-Welt-Staaten vermeintlich geboten scheint, in diesem Sinne im Sumpf mitzurühren.

Man kann nur hoffen, dass das zweitälteste Gewerbe der Welt (ausgeübt im Gesundheitswesen, in der Justiz, auf kommunaler Ebene, in der Politik, dem Sport, der Verwaltung, der Wirtschaft) von uns allen trockengelegt wird. Meine Erwartungen gehen in Richtung Transparenz per Internet, meine Hoffnungen aber sind äußerst gering. Sobald kleinste (nicht einsehbare) Vorteile entstehen, scheinen sie genutzt zu werden. Dagegen hilft nur die Transparenz und das genauere Hinschauen von uns allen. Transparency International, die weltweite Organisation gegen Korruption weist im aktuellen Bericht 07 darauf hin, dass bei uns öffentliche Leistungen im Bereich der Korruption und der Wirtschaftskriminalität besonders gering ausfallen - gerade in einem Feld, wo höchste Einnahmen für den Staat, also für uns alle, möglich wären.

Vor diesem Hintergrund ist die Installierung eines Anti-Korruptionsbeauftragten in Schleswig-Holstein (seit August 07 ) nicht das schlechteste Zeichen und vielleicht ein Hoffnungsschimmer. Trotzdem reicht es nicht, Die-da-oben machen, Macht weiter fehlsteuern zu lassen. Wir müssen vom Untertanendenken weg- und hinsteuern zur aktiven Kontrolle, dem Mut, unbequeme Fragen zu stellen und hinter die Mauern des Schweigens zu blicken.

Schön ist dieses Zitat von Karl Wienand, den Leyendecker auf Seite 195 zitiert (im Streifzug durch die bundesdeutsche Lobbykratie): "Es muss Leute geben, die im Schatten arbeiten und die sich zurückhalten, und es muss Leute geben, die die Voraussetzungen schaffen, damit diejenigen, die nach außen herausgestellt werden, richtig von der Sonne erfasst werden". Herr Wienand war Dünger auf den dunklen Äckern der Lobbyisten, er war das Sonnenstudio für alle Politiker, die den Glanz in der Öffentlichkeit SUCHTen.

Der FLICKenttepich der Korruption hat viele Namen und eine Ursache: bequeme Vorteilsnahme. Dass genau hier Weniger mehr für uns alle wäre, ist eine Erkenntnis, deren breite Dämmerung noch viel mehr solcher Bücher benötigt. Dieses Thema wird noch nicht einmal von den ersten Sonnenstrahlen aufgedeckt, leider.… (meer)